20.11.2023 Gedenkakt am Mahnmal Gebeugter Leerer Stuhl, Rathaus Pasing

Rede von Bernhard Koch zu Bernhard Haas

Allgemeine Vorbemerkung zu den Motiven der Judenverfolgung:

Die Verfolgung und Eliminierung jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger erfolgte in der Zeit des sog. „3. Reichs“ aus unterschiedlichen Motiven: Eine ganz wesentliche Rolle spielten dabei Habsucht und Neid. Diese niedrigen Beweggründe führten im aufgeheizten Klima des Pogroms vom 9./10 November 1938 zu einer Vielzahl von gewalttätigen Exzessen. Es fielen die letzten Hemmungen gegen die Ausplünderung von Menschen jüdischen Glaubens oder jüdischer Herkunft.

Zur planmäßigen Enteignung wurden im sog. „Traditionsgau München und Oberbayern“ unmittelbar nach der der sog. „Kristallnacht“ zwei Abwicklungsstellen gegründet: die „Arisierungsstelle München“ und die „Vermögensverwertung München GmbH“. Von deren Gewinnen profitierten zum einen NSDAP-Organisationen aber auch diverse Nazi-Bonzen persönlich. Die gesetzliche Grundlage lieferte die „Erste Verordnung über die Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12.November 1938.

Insgesamt wurden im Rahmen der sog. „Arisierungsaktion“ im November 1938 im Traditionsgau München und Bayern etwa 70 Mio. RM erbeutet.
Ab Februar 1939 übernahm der Staat durch zentral gelenkte Maßnahmen die Ausplünderung jüdischer Firmen und Personen.


Eines der Opfer des Novemberpogroms von 1938 war Bernhard Haas, Jahrgang 1871.
Seine Familie verließ um 1900 - wie viele andere auch - ihre kleine jüdische Gemeinde im mittelfränkischen Thalmässing bei Hilpoltstein. > Ihr Ziel war es, in den benachbarten größeren Städten ein besseres Auskommen zu finden.

Seit 1902 lebte Bernhard Haas in Pasing. Er beteiligte sich mit seinem Bruder an der vom Vater gegründeten Großhandlung für Schmieröle und –fette. Gleichzeitig übte er noch andere Handelstätigkeiten aus. 1926 heiratete er – mit 55 Jahren - in zweiter Ehe die deutlich jüngere Viktoria Ziegler aus Pasing. Sie trat zum jüdischen Glauben über und nahm den Vornamen „Dora“ an.

1930 machte Bernhard Haas sich mit einem eigenen Handelsunter-nehmen für Maschinenöle und – fette selbständig. Nebenbei war er wohl auch weiterhin im Immobilienhandel und bei der Vermittlung von Hypotheken und Darlehen tätig. Offensichtlich war er wirtschaftlich recht erfolgreich, denn er besaß seit 1933 in der damaligen Sandstraße (heute Varnhagenstraße) am westlichen Stadtrand von Pasing ein hübsches Zweifamilienhaus.

Seit 2015 befindet sich dort ein Teil einer großen Wohnanlage.
Unmittelbar nach der Pogromnacht des 9./10. November 1938 wurde Bernhard Haas verhaftet und als sog. „Aktionsjude“ zusammen mit rund 11.000 anderen Opfern in das KZ Dachau gebracht.
Eines der Ziele dieser Verhaftungsaktion war die Erpressung von Vermögenswerten aller Art.
Dabei wurde Bernhard Haas das spezielle Interesse eines SS-Mannes aus Trudering an seinem dortigen Immobilienbesitz zum Verhängnis. Dessen Begierde weckten vor allem zwei Grundstücke, die wegen ihrer attraktiven Lage an der Pferderennbahn in Trudering interessant für Grundstücksspekulanten waren.

Zu den Erpressungsmethoden gehörten Verhöre, Schlafentzug und schlechte Ernährung sowie sublime - aber wirkungsvolle - Gewalt, z. B. stundenlanges Strammstehen und Exerzieren über mehrere Tage hinweg.

Gemäß amtlichen Angaben starb Bernhard Haas nach drei Wochen KZ-Haft und ständigen Quälereien am 28. November 1938 an „akuter Herz- und Kreislaufschwäche“ im Alter von 67 Jahren.
Er wurde auf dem Alten israelitischen Friedhof in München begraben.
Dort wurden 1980 auch seine Frau Dora und 2003 der Sohn Erich beigesetzt.

 

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